Als Faksimile liegt die Musurgia universalis in einer Edition von Ulf Scharlau vor (Hildesheim und New York 1970). Wer sich nicht auf die Lektüre von Kirchers gelehrt verschlungenem Latein einlassen wollte oder konnte, musste bisher jedoch mit Auszügen vorliebnehmen. Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass ausgerechnet ein protestantischer Pfarrer, Andreas Hirsch, im Jahre 1662 eine erste Teilübersetzung ins Deutsche vorlegte (Kircherus Jesuita Germanus Germaniae redonatus, sive Artis Magnae de consono et dissono ars minor. Das ist, Philosophischer Extract und Auszug aus deß weltberühmten teutschen Jesuitens Athanasii Kircheri von Fulda Musurgia Universali in sechs Bücher verfasset, darinnen die gantze philosophische Lehr und Kunst-Wissenschaft von den Sonis wie auch der so wol theoretisch- als practischen Music mit höchster Varietät geoffenbaret […] und vor Augen gestellet wird, Schwäbisch Hall 1662). Diese Übersetzung hat zwei moderne Neuauflagen erfahren, zuerst herausgegeben von Wolfgang Goldhan (Kassel u. a. 1988), dann von Melanie Wald-Fuhrmann (ebd. 2006). Sie kann als erste Orientierung und als Dokument des Rezeptionsprozesses der Musurgia dienen, weist aber entscheidende Schwächen auf. Als Philosophischer Extract betitelt, bringt sie, grob gesagt, die Schnittmenge dessen, was Hirsch interessierte, was er als protestantischer Theologe noch vertreten konnte, was er sinnvoll fand, was er seinen Lesern zumuten wollte und was er selbst verstand. Aus knapp 1200 Folio- wurden knapp 400 Oktavseiten. Dadurch fällt, um ein zentrales Beispiel zu nennen, bereits die Definition dessen weg, was Klang eigentlich sei (MU A, Buch I, S. 3; der Passus müsste bei Hirsch auf S. 4 stehen). Diese Definition mag in der Tat übermäßig komplex wirken. Sie ist aber essenziell für Kirchers weitere Auseinandersetzung mit Schall als physikalischem Phänomen, die ohne vorherige Klärung in der Luft hängt. Als Autor des 17. Jahrhunderts hat Hirsch zudem in hohem Maße von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, schwer zu übersetzende Wörter schlicht im Lateinischen zu belassen und beim Leser als bekannt vorauszusetzen. All das macht die Übersetzung heute schwer zu benutzen.
Zusätzlich – und auch zusätzlich zum Spezialfall der aus der Musurgia hervorgegangenen Phonurgia nova (1673), die als Neue Hall- und Thon-Kunst 1684 ebenfalls in deutscher Übersetzung erschien – existieren einige moderne Teilübersetzungen. Schon 1956 entstand an der State University of Iowa die Masterarbeit von Frederick Baron Crane, Athanasius Kircher, Musurgia Universalis (Rome, 1650): The Section on Musical Instruments. Größtenteils Auszüge aus dem zehnten Buch erschienen in Joscelyn Godwins Harmonies of Heaven and Earth. The Spiritual Dimension of Music from Antiquity to the Avant-Garde, London 1987, das wiederum ins Deutsche übersetzt wurde als Musik und Spiritualität. Quellen der Inspiration in der Musik von der Frühzeit bis in die Moderne, Bern 1989. Ulf Scharlau dagegen hat die paraphrasierende Übersetzung, die er in Vorbereitung seiner damals wegweisenden Dissertation Athanasius Kircher […] als Musikschriftsteller. Ein Beitrag zur Musikanschauung des Barock (Marburg 1969) angefertigt hatte, nicht veröffentlicht und später vernichtet. Gewiss gibt es zahlreiche weitere solcher Teilübersetzungen in diverse Sprachen, die verschiedene Forscherinnen und Forscher jeweils für ihren privaten Gebrauch angefertigt hatten.
Dass ein solch zentrales Dokument wie die Musurgia universalis bislang also nicht vollständig übersetzt zugänglich war, hat zum Teil wohl mit dem monumentalen Umfang zu tun. Mitsamt Vorreden, Index und Errataverzeichnis umfasst sie fast 1300 eng bedruckte Folioseiten, und in unserer Übersetzung sind nahezu 1700 Seiten daraus geworden. Eine vollständige Übertragung blieb vermutlich allein deswegen jahrelang ein Desiderat. Geändert hat sich das durch die hartnäckige Arbeit von Günter Scheibel (1940–2012). Nach dem Studium der Fächer Latein, Germanistik und Philosophie hatte er als Studiendirektor an verschiedenen Gymnasien in Frankfurt am Main gelehrt. Durch den Auftrag der Übersetzung eines Briefes von Kircher an Johannes Hevelius (Danzig) war sein Interesse an Athanasius Kircher geweckt worden, dessen Erforschung nach seiner Pensionierung und auch während einer schweren Krankheit ein wesentlicher Teil seiner Arbeitskraft galt. Er wirkte an der Ausstellung Magie des Wissens (Würzburg 2002) mit und übersetzte neben der Musurgia universalis auch die Arithmetica practica generalis (1763) nach dem Cursus mathematicus von Kaspar Schott (hrsg. als Rechenbüchlein von Hans-Joachim Vollrath, Würzburg 2009).
Nach seinem Tod gingen im März 2013 die Dateien an Christoph Hust (Hochschule für Musik und Theater Leipzig), mit dem Günter Scheibel bereits während der Übersetzung Kontakt gehabt hatte. In Kooperation mit Markus Engelhardt (Deutsches Historisches Institut Rom) war es möglich, eine Überarbeitung dieser Übersetzung in die Wege zu leiten. Auf Vermittlung von Wilhelm Schmidt-Biggemann (Freie Universität Berlin) konnten Jacob Langeloh (Universität Freiburg) und Frank Böhling (Freie Universität Berlin) für diese Revision gewonnen werden. Elisabeth Sasso-Fruth (Hochschule für Musik und Theater Leipzig) steuerte Übersetzungen aus dem Italienischen bei. Das Ergebnis liegt nach wiederum fünfjähriger Arbeit nunmehr, im Februar 2018, vollständig vor. Unseres Wissens ist es die erste komplette Neuübersetzung eines Buchs von Kircher in dieser Größenordnung. Dass wir sie frei im Netz präsentieren können, ist nur durch das großzügige Einverständnis von Sigrid Scheibel sowie die finanzielle und organisatorische Unterstützung durch das DHI und die HMT möglich. Kircher, der neuen Technologien stets aufgeschlossen gegenüberstand, hätte das sicherlich gut gefallen. Es ermöglicht zudem, die Übersetzung künftig weiter zu verbessern. Anregungen dazu sind stets willkommen.
Wir verstehen die Übersetzung als eine Lesehilfe. Anderes ist bei diesem Text grundsätzlich nicht denkbar. Kircher war ein hervorragender Stilist, der die Stilhöhen, die Ambivalenzen und die Mehrdeutigkeiten der lateinischen Sprache virtuos zu nutzen wusste. Hierin liegt eine fundamentale Schwierigkeit, die eine Kircher-Übersetzung prinzipiell zum heiklen Unterfangen macht. Um vorerst nur ein Beispiel zu nennen: Was Kircher unter dem Wort spiritus zusammenfassen kann, müsste im Deutschen je nach Kontext eigentlich in verschiedene Begriffe auseinanderdividiert werden. Nach der galenischen Körperlehre sind drei Spiritus oder Pneumata im Körper tätig: spiritus naturalis, spiritus vitalis und spiritus animalis. Sie sind jeweils den vegetativen Funktionen, der Bewegung und der Seele zugeordnet. Diese »Geister«, um eine erste mögliche Übersetzung ins Spiel zu bringen, sorgen für Bewegung im Körper. Das deutsche Wort »Geist« lässt aber jene dynamische Qualität vermissen. Auf der anderen Seite handelt es sich bei spiritus und πνεῦμα (pneuma) um den »Atem«, der dem Menschen durch Gott eingehaucht wurde und in Analogie zum heiligen Geist steht, der ebenfalls als Spiritus (Sanctus) benannt wird. Würde man spiritus jedoch bloß als »Atem« übersetzen, so träfe das zwar den lebensspendenden Aspekt, aber weder die »spirituelle« Dimension, die im Geist mitschwingt, noch die dynamische Funktion, die in dreifacher Weise im menschlichen Körper vor sich geht. Wenn Kircher das Wort spiritus verwendet hatte, konnte er alle diese Aspekte stets mitdenken und vereinen: Es handelt sich um eine atemähnliche Bewegung in Form eines Hauchs im Körper, der diesen in dreifacher Weise antreibt, analog zum göttlichen Geist ist, von Gott eingehaucht wurde und die Essenz der menschlichen Lebendigkeit, mithin seinen Geist, verkörpert. Möchte man dagegen im Deutschen die Verständlichkeit im Einzelnen erhöhen, so würde man zugleich diese vielfachen Sinnbezüge zerstören. Die Übersetzer haben sich in diesem grundsätzlichen Dilemma für das auf den ersten Blick vielleicht überraschend anmutende, auf ähnliche Weise schillernde Wort »Hauch« entschieden.
Das Gesagte mag man für ein grundsätzliches Problem des Übersetzens halten. Das stimmt, aber im speziellen Fall ist es mehr: Die Polyvalenz der Begriffe liegt im Konzept der Musurgia universalis begründet. Eindeutigkeit ist nicht Kirchers Ziel, Mehrdeutigkeit hingegen schon; er stellt sich in eine platonisch-aristotelisch geprägte Tradition, in der man noch von der Möglichkeit ausgehen konnte, die Dinge der Welt akkurat zu benennen – ein Konzept, das sowohl durch den cartesianischen Rationalismus als auch durch den britischen Empirismus in Frage gestellt wurde (was eine Generation nach Kircher Johann Matthesons scharfe Attacken gegen die Musurgia universalis mitbefeuerte). Kircher geht mithin von einer grundsätzlichen Kongruenz von menschlichem Erkenntnisvermögen und göttlicher Schöpfung aus. Insofern redet er die Dinge einfach an, wie sie sind, teils auch ohne eine einheitliche Terminologie zu suchen. Auf der anderen Seite führt sein systematisches Interesse jedoch dazu, Mehrdeutigkeit auch ganz bewusst zu konstruieren. Kircher entfaltet in seinem Œuvre im Allgemeinen, wie sich alles in allem findet – »omnia in omnibus« –, und in der Musurgia im Speziellen, wie die Dinge zueinander in harmonischen Verhältnissen stehen. Möchte ein Mensch die Welt beeinflussen oder das Göttliche erkennen, so muss er die Ähnlichkeiten zwischen den Dingen wahrnehmen und ihre proportionalen Verhältnisse verstehen. Sobald er diese manipulieren kann, sobald er Konsonantes mit Dissonantem verbinden kann, bleibt ihm nichts verschlossen. Resümierend schreibt Kircher zum Abschluss der Musurgia universalis (Buch 10, S. 461 in der lateinischen Ausgabe, S. 157 der Übersetzung):
»Da die ganze Vollkommenheit der Dinge in dem vollkommenen, ausgeglichenen Mischungsverhältnis besteht, kann in der Natur der Dinge kein Geheimnis so abwegig sein, dass zu ihm niemand vordringen könnte durch Angleichen des Konsonanten an das Dissonante auf diesem Polychord des Weltensystems nach den im Vorausgegangenen vorgestellten Regeln.«
Insofern ist es für Kircher geradezu vorteilhaft, wenn Sprache mehrdeutig bleibt. Sie erlaubt ihm dann, verschiedene Aspekte eines Dings in einem Wort aufzuheben und die Verflochtenheit der Welt en passant auszustellen.
Als weitere Hilfe zur Lektüre wäre es daher hilfreich, eine Übersicht über die wichtigsten Begriffe der Musurgia universalis, ihre jeweiligen Bedeutungsfelder und ihre Übersetzung zu geben. Bei näherem Hinsehen stellt sich auch diese Absicht allerdings als schwer zu erfüllen heraus. Die Musurgia ist gewissermaßen ein Flickwerk, die Enzyklopädie ist zugleich eine ganze Bibliothek. Kircher und seine Mitarbeiter haben vielen Werken – insbesondere zeitgenössischen – ausführliche Textblöcke entnommen, oft ohne sie zu kennzeichnen. Vieles ist zudem aus Kirchers weitgespannter Korrespondenz eingeflossen. (Das heißt nicht unbedingt, dass er im modernen Verständnis »plagiiert« habe: Er steht mit seiner kompilatorischen Praxis in einer alten wissenschaftlichen Tradition, und in der Regel tauchen wenigstens die Namen der konsultierten Autoritäten doch irgendwo auf – nur nicht unbedingt an den Stellen, an denen er sie dann in seinen Text einflicht. Ausnahmen erlaubt er sich freilich bei protestantischen Autoren, die er teils nicht zur Kenntnis nimmt, teils nicht nachweist.) Dann kann prima facie auch kaum erwartet werden, dass alle Begriffe über das gesamte Werk hinweg konsistent gebraucht würden.
Die Musurgia universalis ist bei aller philosophischen und theologischen Spekulation des Überbaus oft ein überraschend praktisches Werk. In detaillierten Beschreibungen versucht sie experimentelle Aufbauten zu vermitteln. Sie lehrt, wie man sich in die Landschaft stellen soll, um ein besonders schönes Echo zu erzeugen (Echotektonik), wie man Töne zusammenfügt, damit sie besonders schön zusammenklingen (Melothesia, Kompositionslehre), wie man Zahlen addiert und Parabeln konstruiert, wie man einen äthiopischen Text vertont, ohne etwas von Musik zu verstehen (Musarithmik) und vieles mehr. Ziel der Übersetzung war auch, diese im Lateinischen angelegten Textebenen zu unterscheiden, die Günter Scheibel wunderbar ins Deutsche gebracht hat: die direkte, plaudernde, manchmal flapsige Ansprache an den Leser, welcher Handgriff als nächstes für das Gelingen eines Experiments zu tun sei, das staunende Wundern über die Welt, die ehrfürchtige Anrufung Gottes. So war es ein Ziel der Revision, den Stil von Günter Scheibels Übersetzung möglichst wenig anzutasten.
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Über alle diese Entscheidungen lässt sich streiten. In der Summe erwächst aus ihnen die Kennzeichnung der Übersetzung als Lesehilfe, die den lateinischen Text zwar erschließen, aber nur in Verbindung mit ihm (und teils vielleicht in kritischer Distanz zur Übersetzung) einen Sinn rekonstruierbar machen soll. Sie ist gelegentlich frei, um an anderen Stellen streng dem Text zu folgen – auch dann, wenn geläufige musiktheoretische Termini wörtlich übertragen werden –; im Zweifelsfall ging Verständlichkeit vor unbedingter philologischer Exaktheit. Damit streift der deutsche Text gelegentlich die Grenze zur Paraphrase. Das gilt vor allem dann, wenn wir als Übersetzer uns nicht sicher waren, ob Kircher als Autor sich sicher war, was er im Einzelnen schrieb. Dass er nämlich kein ausgebildeter musikalischer Fachmann war, merkt man seinem Text an vielen Stellen an. Hier mussten im Einzelfall Kompromisse gefunden werden, ob wir uns eher paraphrasierend für eine Sinngebung entscheiden oder dem lateinischen Text im Deutschen sein teils erhebliches Maß an Unverständlichkeit zurückgeben wollten.
Die Lektüre der Übersetzung ersetzt also in keinem Fall die Lektüre des Originaltextes. Überdies ist die Übersetzung kein Kommentar. Dafür wären umfangreiche weitere Arbeiten nötig, und zwar beginnend bei der Feststellung des zu übersetzenden Textes. Die überlieferten Exemplare der Musurgia universalis unterscheiden sich; hier wurden – während des Drucks oder in verschiedenen Auflagen? – Umbrüche verändert, letzte Korrekturen eingearbeitet und sonstige Modifikationen vorgenommen. All dies konnten und wollten wir in diesem Rahmen nicht klären. Ferner konnten wir zwar einige Zitate identifizieren (und damit einen zumindest vorläufigen Überblick über Kirchers Quellen geben), haben uns aber in dieser Hinsicht keine Vollständigkeit zur Aufgabe gestellt. Kirchers zeitgenössische Quellen werden mit Kurztitel und Erscheinungsort angegeben, antike Quellen mit gebräuchlichen Kurztiteln und Zählungen. Verweise innerhalb der Musurgia universalis werden in der Form »MU A, 33« gegeben. Gemeint ist dann: Musurgia universalis, Band A, Seite 33. Biblische Bücher werden abgekürzt zitiert, die Psalmenzählung erfolgt als »114 (113)«, wobei die erste Zahl für die heutige Zählung steht, die zweite für die der Vulgata. Die originale Paginierung wird grün in spitzen Klammern gegeben. Kirchers Marginalien haben wir in kleinerer Schrifttype zu Zwischenüberschriften umfunktioniert.
Der folgende Entwurf eines Glossars zentraler Begriffe beschränkt sich auf eine Auswahl derjenigen Fachtermini, die besonders vieldeutig sind und dabei zumeist eine bedeutende systematische Funktion erfüllen. Viele weitere Fachwörter sind nur innerhalb ihres jeweiligen Argumentationszusammenhangs relevant. Insofern haben wir (in gewisser Weise auf den Schultern von Andreas Hirsch stehend) in der Übersetzung häufig das ursprüngliche lateinische Wort in eckigen Klammern ergänzt, also etwa »Lebenshauch [spiritus vitalis]«, um die Rekonstruktion zu erleichtern. Diese lateinischen Begriffe geben zugleich einen Ausgangspunkt für ein mögliches erweitertes Glossar der zentralen Begriffe in Kirchers Musurgia universalis.
Consonare, dissonare: Konsonieren, dissonieren. Der wohltuende oder schmerzhafte Zusammenklang von Tönen dient Kircher als Formel für Harmonie und Konflikt im Universum allgemein. Insofern wundert es nicht, dass Kircher sein Werk zwar als Musurgia universalis betitelt, gleich darauf [»sive«] aber auch als Die Große Kunst der Konsonanz und Dissonanz. Auch im wissenschaftlichen Diskurs folgt Kircher diesem Bild. Meinungen, die unbegründet, gar haarsträubend erscheinen, werden von ihm häufig als misstönend bezeichnet.
Intentio, Remissio: Anspannung, Erschlaffung; Erhöhung, Erniedrigung. Kirchers instrumentale Experimente gehen von einer einzelnen gespannten Saite, dem Monochord aus. Anspannung und Erschlaffung einer Saite, die zu einem höheren bzw. tieferen Ton führen, werden daher als Bezeichnung für Tonerhöhungen und -erniedrigungen im Allgemeinen verwendet, sei es bei der menschlichen Stimme oder bei anderen Instrumenten.
Ligatura, Syncopatio: Bindung, Synkopierung. Kirchers Musikphilosophie fußt darauf, dass dissonante Klänge durch ihre Verbindung mit Konsonanzen harmonisch werden können. Das gilt etwa für die Quarte, die, wenn sie oberhalb einer Quinte eine volle Oktave bildet, für Kircher im Einklang mit der musiktheoretischen Tradition harmonisch wird, sonst aber fragwürdig bleibt. Ein weiterer Fall ist das, was Kircher – auch hier auf dem Boden der musiktheoretischen Terminologie seiner Zeit stehend – mit Bindung und Synkopierung bezeichnet. Er spielt dabei auf die Vorbereitung von Dissonanzen an, durch die eine Dissonanz regelgerecht eingeführt und aufgelöst wird, die dadurch weniger einschneidend klingt als wenn sie unvorbereitet erreicht worden wäre: Durch Bindung und Synkopierung wird das Dissonante harmonisch. Diese Idee möchte Kircher in jeglichem Feld angewendet wissen, so auch bei den Planetenkonstellationen (MU B, 383), die für ihn das irdische Leben bestimmen, oder bei der Partnerwahl (MU B, 428).
Musica: siehe Harmonia.
Numerus sonorus: Klingende Zahl. Als eigenständige Wissenschaft benötigt die Musik einen Gegenstand, der nur ihr zukommt. Dies ist (mit einem Begriff, den nach Boethius u. a. Zarlino geprägt hatte) die »klingende Zahl«. In ihrer Definition (MU A, 45) verwebt Kircher mehrere Komponenten: Die klingende Zahl wird zur Beschreibung von Klängen verwendet, sie findet sich in Instrumenten als Proportion und bezeichnet die Intervallabstände im harmonischen System. Sie umfasst insofern gleichzeitig die Lehre der Proportionen wie auch die in der Welt vorgefundene Proportionalität, in der Kircher sämtliche Geheimnisse der Beschaffenheit der Welt aufgehoben sieht.
Unitas: Die Eins, die Einheit, die Einsheit. Die vier ersten natürlichen Zahlen oder τετρακτύς (tetraktys), also Eins, Zwei, Drei und Vier, erlauben es, durch ihre Proportionen die grundlegenden musikalische Intervalle zu repräsentieren (Oktave, Quinte, Quarte, Duodezime (= Oktave mit Quinte), Quintdezime (= Doppeloktave)). Deswegen, aber auch darüber hinausgehend, spielten sie für die musikalisch-metaphysische Spekulation schon lange vor Kircher eine zentrale Rolle. Die »Eins« ist für Kircher dabei nicht nur eine Zahl, sondern drückt für ihn – analog zum in sich ruhenden Urgrund, aus dem die in den weiteren Zahlen repräsentierte Schöpfung ausfließt – auch den Ausgangspunkt der gesamten Musik aus (benannt als Unisonus, als Einklang). Wann immer von diesen Zahlen die Rede ist, tragen sie ihre metaphysische Bedeutung mit sich, weswegen manchmal von der »Einheit« oder »Einsheit« gesprochen wird.