Christoph Hohlfeld wurde 1922 in Pegau (Sachsen) geboren und starb 2010 in Hamburg. Prägend waren für ihn die Jahre in Leipzig als Mitglied des Thomanerchores unter Karl Straube und Günter Ramin. Zwischen 1933 und 1941 hat Hohlfeld Bachs gesamtes geistliches Werk unmittelbar erfahren – viele der Bachkantaten wurden in dieser Zeit erstmals wieder aufgeführt – und er konnte sich im Verlauf der sieben Jahre ›durch alle Stimmlagen singen‹. Nach Krieg und Gefangenschaft schloss sich ein kurzes Kompositions- und Musiktheoriestudium in Leipzig bei Wilhelm Weismann und Arnold Matz an. Stationen der Lehrtätigkeit waren in den 1950er Jahren Halle, Berlin und Dresden, bevor Hohlfeld 1960 durch Wilhelm Maler zunächst als Dozent für das Fach Allgemeine Musiklehre an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst nach Hamburg berufen und dort 1968 zum Professor für Komposition und Musiktheorie ernannt wurde.
In Hamburg begann Hohlfeld neben seiner Lehrtätigkeit intensiv den einstimmigen gregorianischen Choral und die Theorie der modalen Mehrstimmigkeit zu studieren. In zum Teil mehreren Arbeitsschritten übertrug er zahlreiche Werke der schwarzen und weißen Mensuralnotation von der Ars antiqua über Machaut und Dufay bis Ockeghem aus den Faksimiles in Partitur. Der Musik Palestrinas in ihrer linearen und satztechnischen Vollkommenheit galt stets sein leidenschaftliches Interesse, unbeirrt davon, dass jene in den 1970er und 80er Jahren zu einem Zeitgeist in Widerspruch stand, der Palestrina in die zweite Reihe hinter Komponisten wie Josquin verwies. Die Motivation, das große Projekt einer Übersetzung von Zarlinos Gesamtwerk anzugehen und über viele Jahre zu verfolgen, bestand für Hohlfeld mit Sicherheit darin, auf diese Weise einem adäquaten Verständnis der Musik Palestrinas näher zu kommen. Den unmittelbaren Anstoß dürfte jedoch ein Exemplar der Istitutioni harmoniche im Originaldruck (1558) aus den Beständen des Hamburger Johanneums gegeben haben, das seinerzeit frei zugänglich in den Regalen der Hamburger Hochschulbibliothek stand. Mit einer baldigen Veröffentlichung seiner Übersetzungsarbeit konnte Hohlfeld indes nicht rechnen.
Den Schlüssel zu Hohlfelds eigenem musiktheoretisch-analytischen Ansatz bildet seine Theorie der Melodie. Dabei ist das Interesse zunächst auf den Einzelton gerichtet, auf dessen Unverwechselbarkeit und Strahlkraft, bevor dieser in einen melodischen, stimmigen oder klanglich-harmonischen Kontext integriert wird. Hohlfeld sah in der Melodie ein eigenständiges System, einen Gegenentwurf zur Harmonik. Dieses System blieb auch dann wirksam, wenn die Melodie, wie in der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts, durch andere Prinzipien wie Harmonik oder Metrik absorbiert wird. Zur Zeit der 1960er und 70er Jahre, als Musiktheorie noch mehr oder weniger mit ›Harmonielehre‹ gleichgesetzt wurde, war diese Sichtweise nichts weniger als bahnbrechend. Die Ergebnisse der Arbeit gingen in drei Buchpublikationen ein, die Hohlfeld nach dem Eintritt in den Ruhestand herausbrachte. Einen unmittelbaren Bezug zu Zarlino hat das 1994 erschienene Kontrapunktlehrbuch Schule musikalischen Denkens. Der Cantus-firmus-Satz bei Palestrina. Es folgten die mehr analytisch ausgerichteten Bücher Johann Sebastian Bach, Das Wohltemperierte Klavier 1722. Schule musikalischen Denkens, Teil 2 von 2000 und Beethovens Weg. Schule musikalischen Denkens, Teil 3 von 2003, alle erschienen in Wilhelmshaven. Mehr zu Hohlfelds Musiktheorie in Reinhard Bahr, »…immer das Ganze sehen.«. Zum musiktheoretischen Ansatz Christoph Hohlfelds, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 5/2–3 (2008), S. 335–346, online unter <https://doi.org/10.31751/300>.
Im Jahr 1992 wurden Prof. Christoph Hohlfeld auf Vorschlag des damaligen Fachbereichs Komposition/Theorie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und in Anerkennung seiner musiktheoretischen Leistungen Titel und Würde eines Dr. sc. mus. ehrenhalber verliehen.
Reinhard Bahr
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