DER REKTOR
Fünfzig Jahre Schauspielerausbildung in Leipzig sind ein überschaubarer und jubiläumswürdiger Zeitraum. Noch leben Zeitzeugen, deren Erinnerungen bis zu den Anfängen zurückreichen. Und ebenso sind nach wie vor die Grundlinien künstlerischer Überzeugungen erkennbar. Die Wirkungen der fünfzig Jahre sind vielfältig und geographisch weit gestreut. Der Grundklang tönt auch nach fünfzig Jahren mit voller Resonanz - dem Genre entsprechend sollte ich besser sagen: das Bühnenlicht, das Vergangenheit und Gegenwart ausleuchtet, ist hell geblieben und fördert Sehenswertes zutage.
Seit elf Jahren findet die seit eh und je hoch anerkannte Ausbildung von Schauspielerinnen und Schauspielern an der Hochschule für Musik und Theater statt und damit in einem strukturellen Rahmen, der 1992 von vielen skeptisch beurteilt wurde, der aber in Deutschland und weltweit nicht ungewöhnlich ist. Die einstige Symbiose von Theater und Musik, wie sie das griechische Wort »musike« beinhaltet, ist angesichts der Ausdifferenziertheit der Künste gewiss nicht zu restituieren. Die Chancen zur gegenseitigen Begegnung in einer Hochschule sind aber von unschätzbarem Wert und von uns sicher noch nicht ausgeschöpft. Beide »Sparten« sind vermittelnde Künste, leben vom Interpretieren und vom Interpreten. Über gemeinsame Projekte hinaus ist auch der theoretische Diskurs über das jeweilige Selbst- und Fremdverständnis spannend, unabgeschlossen und sinnvoll. Und es ist gut, dass sich diese Chancen mit dem nun gemeinsamen Hochschuldomizil am Dittrichring wesentlich verbessert haben.
Um das einzigartige und praxisnahe Ausbildungsmodell, das wir hier in Leipzig haben und erhalten konnten, werden wir vielfach beneidet. In einer Gesellschaft, die zunehmend dem Irrglauben zu verfallen scheint, »Stars« seien nicht so sehr das Ergebnis professioneller Gediegenheit als vielmehr das Resultat geschickten medialen Aufwandes, sieht sich künstlerische Ausbildung in Frage gestellt. Eine Sinnkrise unserer Kunst werden wir uns aber nicht deswegen einreden lassen, weil sich manche Zeitgenossen über den Sinn der Kunst nicht mehr im Klaren sind. Sinn neu zu entdecken, zu erhalten und zu vermitteln, wird auch künftig die Aufgabe der Schauspielerausbildung in Leipzig sein. Dass dies Resonanz verdient und finden wird, dessen bin ich mir sicher.
PROF. DR. CHRISTOPH KRUMMACHER